Nephew | Biografie

Nephew

Manche Typen haben wirklich das Glück gepachtet! Für die dänische Band Nephew war 2004 ein Jahr, von dem andere Bands nur träumen können. Sie haben sämtliche renommierten Musikpreise eingeheimst, 80 000 Alben verkauft und damit Doppelplatin geholt – und das ist erst der Anfang. Ihre Liveperformances im vergangenen Jahr wurden als die wichtigsten musikalischen Events Dänemarks gefeiert. Insgesamt eine ziemlich beachtliche Leistung für diese vier jungen Männer, die sich selbst nur als »part-time rock stars« bezeichnen. Ihre musikalische Inspiration beziehen sie hauptsächlich aus England, gesungen wird in Dänisch, doch ohne Deutschland würde es sie als Band wohl kaum geben. Doch dazu später mehr.

Die Songs auf dem Album »USADSB« (DSB ist die Abkürzung für »Danish State Railways«) sind eine wahre Explosion musikalischer Offensiven – Worte, Slogans und Phrasen aus dem täglichen Leben, wo Bekanntes und Unbekanntes, Großes und Kleines, Nahes und Fernes ein in sich geschlossenes Universum bilden, welches die exklusive Domäne der Nephews ist. Der kleinste gemeinsame Nenner aller Songs auf »USADSB« ist die Garantie dafür, dass du gar nicht anders kannst, als mit dem Kopf zur Musik zu nicken. Diese einfache, aber effektive musikalische Richtung wurde von allen vier Bandmitgliedern vorgegeben und für gut befunden: Simon Kvamm (Gesang und Keyboards), Kristian Riis (Gitarre), Kasper Toustrup (Bass) und Søren Arnholt (Drums). Die vier haben sich dieser simplen, über den Daumen gepeilten Regel verschrieben, als sie zwei Wochen gemeinsam auf’s Land gefahren sind, um herauszufinden, was den typischen Nephews-Sound charakterisieren solle. Wenn eine potentielle Nummer den Test nicht bestand, sollte sie kein Teil ihre Albums »USADSB« werden, an dem drei Jahre gearbeitet wurde.

Der Grundstein von Newphew wurde im Herbst 1996 gelegt, als sich die Bandmitglieder an der Universität von Aarhus über den Weg liefen. Ihre gemeinsame Vorliebe für melodischen Pop/Rock hielt länger als ihre Liebe zur Welt der Wissenschaften und schon bald steuerten Nephew in Richtung internationaler Durchbruch. Es gab weder einen Mangel an Ambitionen, noch an Enthusiasmus. Dass die Plattenfirmen nicht gerade Schlange vor ihrem Proberaum standen, konnte Nephew nicht stoppen und sie haben bewiesen, dass sie keine Band sind, die so leicht das Handtuch wirft. Schon im ersten Jahr ihres Bestehens schafften sie es bis ins Halbfinale des nationalen Bandwettbewerbs DM i Rock. 1998 wurde die erste Demo-CD »Tunes« fertiggestellt, die eine Auflage von 500 Stück hatte, und an Plattenfirmen, Clubs und Radiostationen verschickt wurde, um ihnen einen Vorgeschmack auf das Talent der Band zu geben. Die Labels kehrten ihnen auch weiterhin den Rücken zu, doch nach und nach entwickelte sich eine stetig stärker werdende Nachfrage nach der Liveband Nephew. Die Erfahrungen der zahlreichen Liveauftritte brachten sie dazu, sich neu mit ihrer Art des musikalischen Ausdrucks auseinander zu setzen. Überlädt man die Musik nicht, wenn man zu viele Dinge auf einmal will? Waren sie zu weit in Richtung uptempo Popband gegangen? Wie auch immer, sie begannen jedenfalls damit, an einer tighteren, fokussierteren musikalischen Ausdrucksweise zu arbeiten, die mehr Raum für Experimente bietet und nicht nur ein potentielles Publikum bedienen möchte.

Nach einer Weile waren Nephew bereit, ihr erstes Album »Swimming Time« aufzunehmen, welches im April 2000 veröffentlicht wurde. Öffentlichkeit und Kritiker nahmen das Album sehr gut an, wenngleich bestimmte Mitglieder der letzlichen Bandbesetzung Probleme damit hatten, Simon Kvamms textliche Experimente zu verstehen: Dänische Redewendungen und Begriffe verwoben mit englischen Texten. Aber exakt dieses Element unterschied sie von anderen dänischen Bands. Das sagenhafte Jahr 2000 wurde zu einer hektischen Zeit mit Konzerten in Dänemark und Deutschland. Nephew waren auf dem besten Weg zum Durchbruch, mit guten Aussichten darauf, den Weg einer professionellen Band zu gehen. Aber die Sache hatte einen Haken: Keines der Mitglieder hatte zu dieser Zeit das Gefühl, dass es Spaß machte, Musik zu spielen oder überhaupt noch weiter Nephew zu sein. Die vier Bandmitglieder schlurften in den Proberaum und zu Auftritten so, als würden sie zu einer Beerdigung gehen. Der Zauber war verflogen. Wie schon dieser andere Däne treffend sagte, ist alles nur eine Frage von »sein oder nicht sein«. 2001 existierten Nephew sogar für ein paar Monate gar nicht mehr – auch nicht mehr in den Köpfen der Musiker.

Doch sie kriegten ihre Hintern wieder hoch und zwangen sich zur Teilnahme an einem Festival in Deutschland, einer Art Abschiedkonzert. Dies war der Moment, als das Schicksal Einfluss auf Nephew nahm und die Band neu geboren wurde. Von allen Ambitionen oder hochtrabenden Plänen befreit, konnten sie sich wieder auf das konzentrieren, was ihnen wirklich wichtig war: gute Musik zu machen und sich einen Dreck darum scheren, ob es eventuell reichen wird, damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Von da an war Nephew wieder ausdrücklich nur eine Band, die sich ausschließlich um der Musik willen zusammen findet – allerdings nur wenn sie etwas Interessantes und Lohnendes anzubieten hat. Und sie gelobten, ihre Jobs nicht zu kündigen.

Von dem Zeitpunkt an, als die Band eines nachts in Deutschland entschieden hatte, sich nicht aufzulösen, verfolgten sie nur noch ein einziges Ziel, ihren musikalischen Ausdruck zu verfeinern. Die meisten Tracks auf »USADSB« wurden live im Studio aufgenommen, um so viel wie möglich von ihrer Energie einzufangen. Als das Album zuhause in Dänemark im Juni 2004 endlich veröffentlicht wurde, zahlte sich der ganze Einsatz aus und Nephew bekamen zahlreiche jener extrem guten Kritiken, die nicht jedem Künstler widerfahren: »Mit die erfrischendste, originellste und verdammt emphatischste Musik, die jemals aus dänischem Boden erwachsen ist«; oder: »Ein minimalistisches Meisterwerk, ein Füllhorn voller Popmelodien«. Drei Tage nach Veröffentlichung des Albums standen Nephew vor 15.000 Fans beim Roskilde Festival auf der Bühne. Kritiker im Nachhinein über ihren Auftritt: »Die beste Liveperformance des ganzen Festivals«.

Nach dem Roskilde Festival übernahm »USADSB« die Spitzenposition in den dänischen Albumcharts und blieb dort für vier Wochen. Wie populär sie mittlerweile geworden sind dämmerte Nephew erst, als sie eine Dänemark-Tour für den Herbst ansetzten. Die Öffentlichkeit hatte sich die subtilen, ironischen Texte der Band zu Herzen genommen. Die Fans nahmen sich der Nephew-Galaxie an und brachten gar Lichtschwerter mit in die Clubs, um sich, während die Band »En Wannabe Dearth Vader« spielte, Duelle zu liefern. Oder leuchteten mit Fahrradlampen bei »Worst/Best Case Scenario«, während viele Fans mit handgemachten T-Shirts voller Slogans aus dem Song »Superliga« aufliefen.

Obwohl die Macht in diesem fantastischen Jahr definitiv mit Nephew gewesen ist, ein Jahr das sie selbst »festigend und seltsam« nennen, hatten sie immer noch keinerlei Ambitionen Vollzeitmusiker zu werden. Ihre wirklichen Jobs sind: Arzt, Student, Musikmanager und Fernsehstar – und keiner hatte Intentionen diese aufzugeben. »Dänemark ist ein dermaßen kleines Land, es kann schwer sein, die Zeit sinnvoll zu füllen, wenn man ein Vollzeit-Popstar sein möchte«, sagt Simon Kvamm. »Es gibt keine Garantie dafür, dass es gut geht sich jedes Jahr dazu zwingen zu müssen, ein neues Album zu machen. Wir hatten eine Regel, dass wir nur dann Musik veröffentlichen, wenn wir einer Veröffentlichung definitiv nicht widerstehen können.«

Nephew sind sehr gespannt, wie Deutschland ihre dänischsprachige Musik aufnehmen wird und schließen nicht aus, demnächst vielleicht in Deutsch aufzunehmen, da Simon Kvamm sowieso von der Sprache fasziniert ist. Aber selbst wenn die Öffentlichkeit hier nicht jedes Wort verstehen wird, gilt es eines zu beachten: Man kann einfach nicht anders, als zur Musik mit dem Kopf zu nicken!