Fil Bo Riva | Biografie

Biografie 2024

Fil Bo Riva

Modern Melancholia

VÖ: 20. September 2024
 
Am 20. September 2024 erscheint das neue und zweite Album von Fil Bo Riva. »Modern Melancholia« ist ein gewaltiges, grandioses Alternative-Pop-Album über Vergänglichkeit, das Älterwerden, psychische Probleme, die Widrigkeiten der irdischen Existenz – und über die Liebe. Fil Bo Riva hat seine Dämonen erkannt und einige der besten Songs seiner Karriere geschrieben. Ehe es so weit war, musste er sich der größten Krise seines bisherigen Lebens stellen. An einem Tag im Frühling 2023 sagt der italienische Sänger, Songschreiber und Musiker Filippo Bonamici aka Fil Bo Riva alles ab. Er fährt zu seiner Familie, legt sich ins Bett, zieht die Decke über den Kopf. Durchaus nicht nur sprichwörtlich: Bonamici löscht damals vorübergehend seine Social-Media-Profile, schaltet sein Handy ab, streicht alle Termine. Nicht unbedingt der ideale Zeitpunkt: Fil Bo Riva hatte monatelang im Studio an neuen Songs gearbeitet und soeben sein – nun erscheinendes – zweites Album, »Modern Melancholia«, sowie eine Tour angekündigt.
Doch nun erkannte Bonamici, dass er sich verloren hatte: »Irgendwas hatte sich im Laufe der Jahre aufgestaut und plötzlich bekam ich immer häufiger Panikattacken, nahm depressive Züge an. Das war verstörend, weird und beängstigend, weil ich so was noch nie zuvor im Leben erlebt hatte«, sagt er. Fil Bo Riva ist einer der begabtesten Sänger und Songschreiber überhaupt. Geboren in Rom als Sohn eines Italieners und einer Deutschen, hat er bereits mit zehn begonnen, Musik zu machen. Er hat in Spanien, Irland, Italien und Deutschland gelebt und aus all diesen Ländern, Sprachen, kulturellen Einflüssen etwas auf seine Musik übertragen, die im besten Sinne international klingt. Fil Bo Riva hatte eine EP und das Debütalbum »Beautiful Sadness« veröffentlicht, war mit Milky Change, Matt Corby, Joan As Police Woman und zahlreichen anderen auf Tour und jahrelang auf der Überholspur unterwegs gewesen.

»Bis hierhin und nicht weiter!

Alle reden ja immer von Mental Health, aber Fil Bo Riva hat nun wirklich erlebt, was es bedeutet, wenn einem Körper und Psyche Grenzen aufzeigen. Zunächst begibt er sich damals in eine Therapie, besucht eine Klinik, analysiert ungesunde Verhaltens- und Arbeitsmuster und gewinnt langsam wieder Zuversicht: »Mir wurde klar, dass ich viele Jahre einen sehr ungesunden Umgang mit mir selbst gepflegt habe – in Arbeit und Privatleben. Ich habe einfach viel zu hohe Ansprüche an mich gestellt, mich permanent unter Druck gesetzt. Hinzu kamen Probleme aus der Jugend, misslungene Beziehungen … Das musste ich erstmal verstehen und aufarbeiten«, sagt er. Diese Entscheidung habe sein Körper ihm gewissermaßen abgenommen, ergänzt Bonamici: »Ich fand es beängstigend und dennoch im zweiten Schritt interessant, dass mein Körper in dieser Phase smarter war als ich und gewissermaßen für mich entschieden hat: Bis hierhin und nicht weiter!«
Erst Ende 2023 kehrt er danach langsam wieder zu jenen Songs zurück, an denen er zuvor erst allein und später mit den Produzenten Jochen Naaf und Sven Ludwig in Köln und Berlin gearbeitet hatte. Fil Bo Riva malt diese Songs nun weiter aus, verfeinert und verdichtet sie, allein und mit der Hilfe von befreundeten Musikern und Producern. Es läuft dabei nicht nur besser als je zuvor, es passiert auch etwas Seltsames: Bonamici realisiert, worüber er da die ganze Zeit überhaupt geschrieben hatte. Diese Lieder, die ja eigentlich ganz überwiegend vorher schon fertig waren, erzählen in Wahrheit ganz genau von der Lebenskrise, die er gerade durchlebt hat. Nicht nur sein Körper, auch seine Intuition und seine Kunst waren also schlauer als er selbst. »Die Texte zu den Songs waren fast alle schon vor der Krise fertig«, sagt er, »aber vorher habe ich nicht ganz verstanden, warum ich in so vielen Songs über das Älterwerden oder über melancholische Traurigkeit geschrieben habe.« Auch der Albumtitel habe bereits festgestanden: »›Modern Melancholia‹ beschreibt nun genau jene Melancholie der Moderne, also der Welt, in der wir leben, die mich so gestresst und traurig gemacht hat.« All diese Erfahrungen, die Täler und die Gipfel, die Dunkelheit und das Licht, die Fil Bo Riva in den vergangenen zwölf Monaten durchschritten hat, sind also direkt oder indirekt in »Modern Melancholia« eingeflossen.
Es gibt kaum einen anderen Songwriter, der vergleichbar große Räume aufmacht wie Fil Bo Riva. Gleich der Titelsong ist ein derart erhabener Überwältigungswahnsinn, dass einem der Atem stockt: »Now I’m older, wishing I was younger«, singt er mit dieser gravitätisch gewaltigen Stimme, »Heavy shoulders, nothing’s like before. Faded colors, a modern melancholia, and all those memories, hanging on the walls.« Fil Bo Riva gelingt dabei das überaus seltene Kunststück, intime Musik mit Breitenwirkung zu machen. Songs wie die mitreißende Ballade »Heaven Won’t Cry« lassen einen dahinschmelzen und wollen gehört werden. Diese Musik würde in riesigen Arenen ebenso gut funktionieren wie an verregneten Provinzbahnhöfen, im Großen wie im Kleinen hat sie jedenfalls die Kraft, Menschen über emotionale und tatsächliche Grenzen hinweg zusammenzuführen. Kurzum: Fil Bo Riva demonstriert auf »Modern Melancholia« ein einmaliges Gespür für große Emotionen, er weiß aber auch: Diese Gabe ist zu kostbar, um sie für billige Effekthascherei einzusetzen.

Abstieg in den Steinbruch der Seele

Statt seine Themen und seine Musik zu verraten, steigt er auf »Modern Melancholia« hinab in den Steinbruch seiner Seele, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube – und Humor hat er auch: »We’re in the car, she’s playing songs that I don’t like, I sing along«, singt er in dem wehmütig liebeskranken »Black & Blue«, und so eine Situation kennen wir nun wirklich alle. Die Single »Lost in Life« ist einer der besten Songs, die dieser Mann bislang geschrieben hat. Ein gewaltiger Popsong, der den Sound der Eighties ebenso anklingen lässt wie Italo Disco, der an U2 erinnernde Gitarren mit einem wahnsinnig smoothen Beat und herrlich hüpfenden Synthesizern verbindet: »So come on let’s get lost in life, I got a million reasons, to take you through the night« – Fil Bo Riva hat Um die Sehnsucht nach Eskapismus, den Wunsch, der Schwere des Lebens zu entfliehen, geht es auch in »Lucy«. Die Protagonistin kommt einem direkt bekannt vor: »Warm summer night, Lucy getting high, she just wanna fly away« singt Fil Bo Riva, und »Kaleidoscope eyes, Lucy in the sky«. Es ist natürlich dieselbe Lucy, die bereits in den LSD-Fantasien der Beatles eine Rolle spielte. Bei Fil Bo Riva vollzieht sich die surreal-kosmische Sentenz indes zu einem euphorisch aufgekratzten Beat und hymnischen Chören geradewegs auf dem Dancefloor, wo es im Mittelteil zu einem perkussiven Pop-Exorzismus kommt. »Lucy ist eine Person, die sich im Leben verloren hat und über toxische Substanzen versucht, den Kopf über Wasser zu halten«, sagt Fil Bo Riva. »I Like You« handelt davon, wie schwer es uns bisweilen fällt, zu sagen, was wir wirklich fühlen. Eine Midtempo-Meditation über fatale Vorstellungen von Männlichkeit: »Wish that I could cry, but a man don’t sigh, you know«, singt Fil Bo Riva. »Ich singe lieber dreimal ›I like you‹, statt einmal ›I love you‹«, sagt er, »weil ich es selten geschafft habe, meine Emotionen außerhalb der Musik so offen zu legen.«
Fil Bo Rivas Stimme hat alles, was der Sänger bei sich selbst bisweilen vermisst: sie ist durchtränkt von Emotionen und gleichzeitig zupackend, melancholisch und kraftvoll, bis in den tiefsten Winkel durchdringend und aufrichtig. Es gibt nur sehr, sehr wenige Sänger mit einer derart überwältigenden, mitreißenden Stimme. »Running In Circles« ist ein unwiderstehlicher Hit, den man direkt mitsingen, tanzen, immer wieder hören möchte. »Young & Free«, »Never Before«: Diese Lieder verhandeln die großen und grundsätzlichen Fragen des Lebens, beklagen wehmütig Vergänglichkeit und umarmen gleichzeitig die Zukunft in dem Wissen, dass es letztlich keine Gewissheiten gibt. »Das Album ist ein abstraktes Bild dafür, was ich in dieser Zeit erlebt habe, in meinem eigenen Leben und im Leben von anderen Menschen und Freunden«, sagt Fil Bo Riva. Das gilt erst recht für »God is a Freak«: Es ist der einzige Song, den er tatsächlich erst nach der Therapie geschrieben hat, eine reduzierte Mitternachtsballade über die permanenten Widersprüche, Gefühlskaskaden und Widrigkeiten des Lebens. »Ich singe ziemlich offen darüber, wie ich mich während der Krise gefühlt habe«, sagt Fil Bo Riva. »Und ich frage mich, wie komisch es eigentlich ist, dass Gott mich erschaffen hat, warum also so ein Gott irgendeine Person kreieren kann, die so wahnsinnig traurig ist.« Fil Bo Riva weiß, dass es auf solche Fragen keine Antworten gibt: »I wanna die, five days a week, but the other two I really try to be free”, singt er.
Diese Zeilen fassen alles zusammen, worum es im Leben und auf »Modern Melancholia« geht. Es sind Songs von einem, der die Dunkelheit durchmessen hat und ins Licht zurückgekehrt ist, der sich für das Leben entschieden hat. Ein wahrhaftigeres Pop-Album werden wir in diesem Jahr nicht hören. gelernt, dass man am Ende immer wieder bei sich selbst ankommt. »›Lost In Life‹ erzählt davon, dass man sich in dieser Welt verloren fühlt und versucht, ihr zu entkommen«, sagt Bonamici. »Wie wir als Menschen manchmal versuchen, uns abzulenken, indem wir Dinge tun, die wahrscheinlich nicht das Beste für uns sind, aber die in dunklen Momenten helfen können.«
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