Tiken Jah Fakoly | Biografie

Tiken Jah Fakoly – Biografie

Tiken ist kein Chicken
Tiken Jah Fakoly

Nachdem ihn das Regime in seiner Heimat auf eine Todesliste setzte, hat der Reggaemann von der Elfenbeinküste sein neues Album aus dem Exil veröffentlicht.

Am 2. Oktober stellte der Reggaesänger Tiken Jah Fakoly sein neues Album „Coup de Gueulle“ im Modibo Keïta-Stadion in Malis Hauptstadt Bamako vor. Fast 20.000 Menschen reisten zu diesem Konzert an, viele von der benachbarten Elfenbeinküste, um Fakolys neue Songs zu hören. Zuhause konnte er sie nicht spielen. Kurz nachdem Fakoly vor zwei Jahren mit seinem immens erfolgreichen letzten Album „Françafrique“ auf Tour ging, wurde ihm von offizieller Seite damit gedroht, dass er mit der Rückkehr nach Abidjan sein Leben aufs Spiel setzte. Von der Regierung angeheuerte Killer würden auf ihn losgelassen. „Ich habe keine Angst“, erklärte der momentan in Mali lebende Reggaekünstler. „Wenn sie mich ermorden, weil ich eine Wahrheit gesagt habe, soll es so sein. Ich bin bereit. Es muss jemand geben, der die Dinge beim Namen nennt.“

Der TV-Sender Arte porträtierte unlängst den Musiker, Staatsfeind und Volkshelden, der mit seinem afrikanisch geflavourten Roots-Reggae zum Sprachrohr der Jugend geworden ist. Seit Mitte der 90er-Jahre treffen seine pointierten kritischen Texte über Korruption, Ethnozentrismus und Machtmissbrauch den Nerv der afrikanischen Kids. 1996 hielt sich Tiken Jahs Album „Mangercratie“ trotz staatlicher Zensur monatelang in den Charts, verkaufte 500.000 Exemplare in Afrika, die Raubkopien natürlich nicht mitgerechnet.

Sein Medium, den Reggae, beschreibt Fakoly als eine Musik, „die von Leuten ins Leben gerufen wurde, die wie Bob Marley in den Ghettos geboren wurden, die dort aufgewachsen sind, die dort diese Musik gemacht haben und die beschlossen haben, durch ihre Musik das Leiden der Leute aus den Ghettos auszudrücken. Wenn jemand Reggae singt, kommt es aus dem Herzen – eine ernste Angelegenheit.“ Vom Herzen kommend, nimmt Tiken Jah auch auf seinem neuen Album kein Blatt vor den Mund: „Coup de Gueulle“ bedeutet so viel wie „Anschlag der Zunge“. Ganz im Sinne seiner bekannten Protestparole „Y´en en a marre“ (Wir haben die Schnauze voll) des letzten Albums. „Mein Ziel ist, dass sich die Leute sagen: `Wenn Tiken sich in dieser Form und Deutlichkeit äußert, dann habe auch ich die Möglichkeit, das zu tun.´ An der Elfenbeinküste ist das nicht so selbstverständlich“, erklärte Fakoly dem Reggaemagazin Riddim.

In Deutschland wäre ein Stück mit Titel „Wir haben die Schnauze voll“ sicherlich ein aggressiver Punksong. Fakoly versteht es dagegen, seine explosiven Botschaften in ein virtuoses und anspruchsvolles musikalisches Format zu bringen. Wie die aller großen Roots-Reggaekünstler vor ihm, klingt seine Musik warm, nonchalant, immer etwas melancholisch und zärtlich. Mit den westafrikanischen Mandingo-Elementen in seinen Songs gibt er modernem Reggae eine neue Farbe. Auf „Coup de gueulle“ hat er das Spektrum mit lateinamerikanischen Rhythmen erweitert, wie im Titel „Démé“. Seine Texte sind sehr einfach und bewegen sich in der Welt des Alltags. In seinem Protest gegen die Zweiklassengesellschaft seiner Heimat, die postkolonialen Traumata, und auf dem neuen Album auch gegen den Islam und den „amerikanischen Imperialismus“, spart sich seine Sprache jegliche Demagogie und ausgeleierte Argumente.

Den lyrischen Maßstab wird Fakolys Familie gesetzt haben, die in der Tradition der „Griots“ steht, einer Kaste, zu deren Aufgaben das Weitertragen und kritische Kommentieren von Geschichten gehörte, ähnlich den Moritaten- und Minnesängern im Europa vergangener Jahrhunderte. Fakoly stachelt seine Hörer nicht zur Gewalt an, sondern spendet ihnen Trost, gewinnt Freunde und löst bei Europäern eher Empathie als beklemmende Betroffenheit aus. „Reggae ist wie der Herzschlag, man spürt ihn, ohne ihn verstehen zu müssen“, fasst er zusammen.

Unterstützt auf seinem nunmehr sechsten Album wurde der Nachfahre eines legendären Stammesführers von einigen der grandiosen Elder Statesmen des Genres: Bereits zum zweiten Mal bestand seine Rhythmusgruppe aus Sly Dunbar und Robbie Shakespeare, die bereits „Françafrique“ einspielten. Produziert wurde „Coup de gueulle“ (wie auch der Vorgänger) von Keyboarder Tyrone Downie in den Pariser Seine Studios und im legendären Kingstoner Tuff Gong-Studio. Gäste sind Mouss und Hakim Amokrane aus der Band Zebda, Didier Awadi von Positive Black Soul und der Sänger Saramba Kouyate.

Im Frühjahr 2003 wurde er mit dem prestigeträchtigen RFI-„Victoire de la músique“-Award in der Sparte Reggae/Ragga/World geehrt. „Ich schätze, das ist das erste Mal, dass ein Afrikaner diesen Award gewonnen hat“, gab Fakoly zu Protokoll. Im selben Jahr steuerte der 1968 als Moussa Doumbia geborene Fakoly an der Seite von Césaria Evora, Sally Nyolo und anderen der „Drop The Debt“-Kompilation einen Song bei. Er ist Westafrikas moderner Superstar und wird als Reggae-Messias verehrt. Je heftiger sich die momentane Weltlage zuspitzt, umso mehr braucht diese Welt Helden vom Schlage Tiken Jah Fakolys.